Stützungsorientiertes Investieren (SORI)   

 "Leseprobe."

Aus dem Vorwort

Man sagt, das Gier und Angst die großen Beweger an den Börsen seien. Wie wahr dieser Satz ist, erleben wir in diesen Tagen im Herbst 2008 an den Folgen der Hypothekenkrise in den USA. Ein ehernes Gesetz der Geldanlage lautet, dass Rendite und Risiko untrennbar miteinander verbunden sind, dass überdurchschnittliche Renditen nur um den Preis erhöhter Risiken zu erzielen sind. Dieses Gesetz aufzuheben war das Unterfangen der durch Gier und Selbstüberschätzung verblendeten Branche der amerikanischen Investmentbanker, denen es über Jahre gelungen war, mit Hilfe von komplizierten Finanzinstrumenten die Risiken von US-Hypothekendarlehen über den halben Erdball zu verkaufen und zu glauben, man hätte die Risiken auf diese Weise neutralisiert. Und viele Banken, vornehmlich in den westlichen Industrieländern, wollten mitverdienen, hatten auf immer weiter steigende Immobilienpreise gewettet und sich am Ende gewaltig verspekuliert. Wie eine Epidemie hat sich die Krise ausgebreitet und das weltweite Finanzsystem erfasst, die Banken misstrauten sich am Ende gegenseitig, bis der Kapitalfluss untereinander völlig zum Erliegen kam und die Geldversorgung der Realwirtschaft gefährdet war. Die Regierungen der westlichen Industrienationen bemühen sich in diesen Tagen, eine Panik und Weltwirtschaftskrise wie nach 1929 zu verhindern, indem sie dem Bankensystem massiv mit Steuergeldern unter die Arme greifen - mit ungewissem Ausgang. Nur eins ist sicher: Das ungezügelte, über Jahrzehnte durch billiges Geld angestachelte, immer weiter deregulierte Treiben an den Finanzmärkten ist am Ende. Die Staatengemeinschaft der wichtigsten Industrienationen und Schwellenländer scheint sich auf eine globale, stärkere Regulierung der Finanzmärkte, Finanzprodukte und Marktteilnehmer einigen zu wollen. Der Einfluss des Staates wird dazu führen, dass die Renditen wieder durchschnittlicher und die Risiken geringer werden – und doch wird mit ziemlicher Sicherheit an einer anderen Stelle in mehr oder weniger ferner Zukunft erneut eine Spekulationsblase entstehen, wachsen und platzen. So ist es gewesen, seit es Börsenhandel gibt.

Nichts ist angesichts dieser Entgleisungen verständlicher als die Angst vieler Privatanleger, sich überhaupt mit Aktien, Börsen & Co. zu beschäftigen. Bei vielen von ihnen ist das Vertrauen in die Banken und in die Sicherheit der eigenen Geldanlagen erschüttert. Viel zu häufig standen die Verkaufsinteressen der Geldhäuser über den Kundeninteressen nach sinnvollen Lösungen für ihre individuellen Bedürfnisse. Daher liegt die Chance dieser Krise für private Geldanleger und -anlegerinnen auch darin, sich von der Finanzbranche zu emanzipieren, sich weniger auf andere zu verlassen, sich selbst schlauer darüber zu machen, wie die Finanzmärkte funktionieren und deren Möglichkeiten zu nutzen. Die Börse wird auch weiterhin ein Ort für die Umsetzung sinnvoller Anlagestrategien mit attraktiven Renditechancen bleiben, wenn man kompetent mit ihr umzugehen weiß. Dieses Buch soll einen Beitrag dazu leisten, indem es dazu anregt, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, ein persönliches Handelssystem zu entwickeln und psychologischen Fallstricken dabei aus dem Weg zu gehen.

Aus Kapitel 1 / Einleitung

Es ist auf den ersten Blick ein seltsamer Widerspruch, dass die Wertentwicklung von Aktien diejenige von anderen Geldanlagen im langfristigen Vergleich deutlich übertrifft, gleichzeitig aber Wertpapiere bei den deutschen Anlegern nur in geringem Umfang für den Vermögensaufbau eingesetzt werden. Es mag dahingestellt sein, warum gerade die Deutschen eine besondere Scheu vor der Geldanlage in Wertpapieren haben. Die Zurückhaltung des einzelnen Anlegers ist jedoch psychologisch durchaus verständlich - schließlich ist der Markt für Wertpapiere beispielhaft für ein Feld der Ungewissheit und der Unsicherheit, da die Bewegungen der Wertpapierkurse unberechenbar und unvorhersehbar sind. Bei einem Anleger, der an der Börse, dem Handelsplatz für Wertpapiere, aktiv wird, treffen daher unterschiedliche Motive aufeinander – einerseits der Wunsch, Chancen auf hohe Erträge zu verwirklichen und die Bereitschaft, dafür gewisse Risiken einzugehen, andererseits das Streben nach Sicherheit und die Furcht vor Gefahren für den Kapitalerhalt. Zu lernen, höhere Renditen als mit Spareinlagen und Versicherungen zu erwirtschaften, bedeutet, mit Unsicherheit kreativ leben zu lernen! Dies ist eine Herausforderung, bei der auch noch so viele Informationen über Formen der Geldanlage nicht weiterhelfen – denn hier betreten wir psychologisches Terrain, im besonderen das Feld der Anlagepsychologie. 

Dieses Buch wird Ihnen dabei helfen, die psychologischen Herausforderungen der Geldanlage am Wertpapiermarkt zu verstehen und mit Unsicherheit kreativ umgehen zu lernen, wenn sie als Marktteilnehmer an der Börse aktiv werden wollen. Dies beginnt mit dem Reduzieren von Komplexität, also damit, die persönlichen Strategien der Geldanlage soweit wie möglich zu vereinfachen. Damit können Sie psychologische Fehlerquellen von vornherein verringern. Darüber hinaus soll dieses Buch dazu beitragen, dass Sie Ihre emotionalen Reaktionen und Stressmuster sowie Ihre unbewussten Faustregeln, Einstellungen und Persönlichkeitsmuster verstehen lernen und Anregungen geben, wie Sie psychologischen Fallstricken aus dem Wege gehen können. Das entscheidende Hilfsmittel dazu ist das Erstellen eines persönlichen Handelssystems, eines Systems von Leitlinien und Regeln, welches Ihnen Orientierung gibt und Ihnen hilft, dysfunktionale psychologische Mechanismen zu neutralisieren und funktionale, zweckmäßige Mechanismen als Ressourcen zu nutzen. Dieses Buch wird Ihnen Anregungen dazu geben, wie Sie ein einfaches Handelssystem entwickeln können und dies am Beispiel eines sogenannten „Stützungs-orientierten“ Handelssystems illustrieren. Stützungs-Orientierung bedeutet, sich zunächst auf die inneren und äußeren Stützen zu konzentrieren, über die man verfügt und sich damit nach unten abzusichern und erst von dieser Basis aus den Blick nach oben, auf die Verwirklichung der Chancen zu richten.

"Keine Angst vor Börse & Co." ist somit ein Buch für Anlegerinnen und Anleger, die einen Teil ihres Vermögens chancenreich an der Börse anlegen und darin psychologisch kompetenter werden wollen, aber auch für psychologisch orientierte Beraterinnen/Berater und Therapeutinnen/Therapeuten, die sich den Wertpapiermarkt als Anwendungsfeld der Psychologie erschließen und sich mit Fragestellungen, Problembereichen und Hilfsmöglichkeiten in diesem Feld vertraut machen wollen.